aktion tier Igelzentrum Niedersachsen
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aktion tier Igelzentrum Laatzen | Igelschutz

Im Frühjahr wachen die Igel auf

Igel gehören zu den echten Winterschläfern und ziehen sich über die kalte Jahreszeit in ihre Winterschlafnester zurück. Im Frühjahr wachen sie dann nach und nach auf. Das heißt, dass nicht nur draußen in der Natur wieder vermehrt Igel gesehen werden, sondern auch, dass die zahlreichen in menschlicher Obhut überwinterten Tiere wach werden. So auch im aktion tier Igelzentrum Niedersachen. 120 Igel haben dort überwintert und wurden durch die Mitarbeiter untersucht, hochgefüttert und ausgewildert.

Foto: © aktion tier Igelzentrum

Beim Check-up nach dem Winterschlaf werden die Igel gewogen und angeschaut, dabei werden die Augen und der Bauch kontrolliert. Sollten die Igel stark abgenommen haben, müssen sie zunächst wieder etwas an Gewicht zunehmen. Ist der Igel dann gesund und gut genährt, werden die Finder kontaktiert, um den Findling wieder an seiner Fundstelle auszuwildern. Ist dies nicht möglich oder der Fundort nicht geeignet, wird das Tier an einem igelgeeigneten Ort durch freiwillige Auswilderungsstellen freigelassen.

Aber nicht nur die Winterschläfer sorgten für viel Arbeit im aktion tier Igelzentrum, auch weiterhin werden verletzte und kranke Tiere gebracht.

Um die Zahl an hilfsbedürftigen Igeln zu verringern, kann jeder etwas beitragen.

Die meisten Probleme der Igel sind menschengemacht. So fehlt ihm der Lebensraum und seine Nahrungsgrundlage durch zu aufgeräumte Gärten. Naturnah gestaltete Gärten in denen Totholz liegen gelassen wird, heimische Pflanzen angepflanzt werden, Laub liegen gelassen wird und nur vorsichtig mit Gartengeräten wie Rasenmäher und Freischneider umgegangen wird, bieten Igeln Unterschlupfmöglichkeiten und ein erhöhtes Vorkommen von Insekten, welche die Hauptnahrungsgrundlage des Igels darstellen. Gefahren wie Kellerschächte, Gewässer ohne Ausstiegshilfen und Müll sollten minimiert werden. Eine weitere Problematik ist der Straßenverkehr. Langsames und aufmerksames Fahren, insbesondere in der Nacht, kann das Leben von Igeln und anderen Wildtieren retten.

Vorsicht beim Füttern von Igeln: Mehlwürmer können gesundheitliche Schäden verursachen

Viele Menschen meinen es gut und möchten den Wildtieren mit einem Futterangebot helfen. Wichtig ist: Mehlwürmer sollten höchstens in kleinen Mengen gefüttert werden. Denn zu viel gefressen, können sie Igel schwer schädigen. Bei uns im aktion tier Igelzentrum Niedersachsen nehmen wir immer wieder Patienten auf, bei denen die Fütterung von Mehlwürmern zu ernsthaften Gesundheitsproblemen geführt hat. Selbst wenn sie nicht ausschließlich angeboten werden, neigen einige Igel offenbar dazu, die Mehlwürmer aus dem angebotenen Futter zu selektieren. Die gefährliche Folge: ein unausgewogener Nährstoffverzehr.

Es ist das ungünstige Kalzium-Phosphor-Verhältnis in Mehlwürmern, das bei Igeln insbesondere zu Problemen im Bewegungsapparat führt. Betroffene Tiere entwickeln Schwierigkeiten beim Laufen (Videos dazu finden Sie auf unserer Internetseite www. aktiontier-igelzentrum.de). Bei Jungtieren, welche sich noch im Hauptwachstum befinden, kann der übermäßige Verzehr von Mehlwürmern und der damit einhergehende Kalziummangel zu Knochendeformationen führen. Es dauert sehr lange, bis sich der Stoffwechsel nach einer solchen Fehlernährung wieder reguliert. Die Tiere bekommen Mineralstoffzusätze und müssen schnellst möglich wieder an ein ausgewogenes Alleinfutter gewöhnt werden. Mehlwürmer sollten daher höchstens als kleiner Zusatz und gut unter das Grundfutter gemischt angeboten werden. Nur so kann man durch fehlerhafte Fütterung provozierten Mangelerscheinungen vorbeugen. Auf keinen Fall sollten Mehlwürmer als alleiniges Futter angeboten werden.

Trockenfutter mit Mehlwürmern.
Trockenfutter mit Mehlwürmern. Foto: © aktion tier Igelzentrum

Das aktion tier Igelzentrum Niedersachsen empfiehlt generell, Wildtiere nur zu füttern, wenn es wirklich nötig ist – bei Igeln kann das beispielsweise das Frühjahr sein, wenn Igel nach einem langen Winterschlaf geschwächt aufwachen. Bei allen guten Absichten ist in jedem Fall eine artgerechte Fütterung sicherzustellen. Um Igel artgerecht zu füttern, empfehlen wir hochwertiges, am besten getreide- freies Katzen-Nassfutter mit einem hohen Fleischanteil, z.B. Sorte Rind. Als Abwechslung kann gelegentlich Rührei (ohne Gewürze) oder gegartes Hackfleisch angeboten werden. Alternativ kann ein hochwertiges Igeltrockenfutter unter das Nassfutter gemischt werden.

Welche Igel brauchen Hilfe?

  • Verletzte und offensichtlich kranke Igel
  • Igelsäuglinge mit geschlossenen Augen außerhalb des Nestes
  • Bei geschlossener Schneedecke und Dauerfrost aktive Igel

In diesem Jahr hat uns bereits der eine oder andere spezielle Fall erreicht.

So ein Igel, der aufgefallen ist, weil er nicht mehr vernünftig laufen konnte. Im Gespräch mit den Findern stellte sich heraus, dass dieses Tier in der Pflege immer nur Mehlwürmer aus dem Futter herausgepickt hat. Durch diese einseitige Ernährung hatte er eine Mangelerscheinung entwickelt. Nach einer langen Pflegezeit in der Station mit Vitamin und Mineralstoffgaben sowie der Umstellung auf ein geeignetes Futter konnte dieser Igel bereits wieder ausgewildert werden.

Dieser und der nachstehende Fall ereigneten sich in der privaten Pflege und zeigen, dass auch der Igel gewisse Ansprüche an seine Pflege hat und am besten durch fachkundige Stationen versorgt werden sollte. Durch die steigende Zahl an Igelpfleglingen ist dies allerdings nicht immer möglich. Umso wichtiger ist es, nur Igel in Pflege zu nehmen, die tatsächlich Hilfe brauchen.

Ein weiterer Fall ereignete sich ebenfalls in der privaten Pflege eines Igels. Es fiel auf, dass die Hinterfüße des Igels stark geschwollen waren. In der Untersuchung in Narkose konnten wir menschliche Haare entfernen, welche sich um die Beine und Füße des Igels gewickelt hatten. Das Tier hatte nachts Freilauf in der Wohnung. Was gut gemeint war, hatte schwerwiegende Folgen. Zum Glück war noch die Blut- und Nervenversorgung gegeben und die Füße sind wieder abgeschwollen. Noch befindet sich das Tier auf Station und kann dann hoffentlich bald wieder ausgewildert werden.

René Thomszen
René Thomszen Foto: © aktion tier

René Thomszen arbeitet im Aufklärungsteam von aktion tier. Ende April hat er engagiert im Igelzentrum mitgearbeitet, was ihm viel Freude gemacht hat. Auch kann er jetzt viel mehr zu dem Projekt erklären, wenn interessierte Menschen am Informationsstand von aktion tier danach fragen.

Karolin Schütte

Tierärztin im aktion tier Igelzentrum Niedersachsen